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Augenblick verweile doch, du bist so schön!

 

 
Später, am gegenüberliegenden Ufer
 
Diese historisch überlieferte Anekdote führt uns zu zwei prominenten Persönlichkeiten der internationalen Politik, zu einem Italiener und einem Deutschen. Beide schon in weit fortgeschrittenem Alter. Die greisen Herren trafen sich Ende der fünfziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts in Norditalien.
 
Wir sehen sie auf einer privaten Yacht. Sie überqueren gerade einen der großen, wunderschönen Seen. Und was uns daran elektrisiert, ist nur ein scheinbar kleiner, vermeintlich unbedeutender Aspekt dieser Zusammenkunft. Ein einziger Satz des Italieners. Denn dessen Aussage liegt die für uns neuzeitliche Menschen typische Denkweise zugrunde und sie steht damit paradigmatisch für den aktuellen Zeitgeist.
 
Mit süffisantem Lächeln und sehnsüchtigem Blick über den See, in Richtung der Weinberge raunt der italienische Politiker seinem deutschen Gesprächspartner ins Ohr: "La felicita sta sempre al riva opposta", was dieser verständnisvoll nickend für sich mit: "Die schönsten Momente des Lebens finden wir doch immer am gegenüberliegenden Ufer" übersetzt.
 
 
Im Hier und Jetzt
 
Dreihundert Jahre zuvor, in der Zeit des 30-jährigen Krieges, schreibt ein deutscher Dichter namens Andreas Gryphius ein Leitmotiv nieder, welches sehr der Lehre des Buddhas ähnelt. Gryphius ersehnt sein Heil nicht in einer fernen, unwägbaren Zukunft, sondern findet es im Hier und Jetzt:
 
Mein sind die Jahre nicht, die mir die Zeit genommen; mein sind die Jahre nicht, die etwa möchten noch kommen.
 
Der Augenblick ist mein und nehm ich den in Acht, so ist der mein, der Jahr und Ewigkeit gemacht.
 
 
 
Von diesem Gryphius stammt auch das Sonett "Es ist alles eitel", geschrieben um 1637:
 
Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein.
Wo jetzt noch Städte stehn, wird eine Wiese sein,
auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden.

Was jetzt noch prächtig blüht, soll bald zertreten werden. Was jetzt so pocht und trotzt, ist morgen Asch’ und Bein. Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein. Jetzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.

Der hohen Taten Ruhm muss wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch, bestehn? Ach! Was ist alles dies, was wir für köstlich achten, a
ls schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind; als eine Wiesenblum’, die man nicht wieder find’t. Noch will, was ewig ist, kein einzig Mensch betrachten! 
 
 
 ....
 
 
 
 

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